Mit 1. August 2025 ist das dreijährige Forschungsprojekt „Researching – Preserving – Sharing. Establishing a Digital Community of Transnational Memory and Records on Nazi Forced Labour in Lower Austria“ gestartet. Es konnte erfolgreich beim Citizen Science Call der Gesellschaft für Forschungsförderung Niederösterreich eingeworben werden.
Zwischen 1939 und 1945 wurden in fast allen Städten und Dörfern der „Ostmark“ ausländische Zivilpersonen und Kriegsgefangene zur Arbeit gezwungen. Auch in Niederösterreich ist die Geschichte dieser Zwangsarbeit bis heute nicht ausreichend erforscht oder dokumentiert. Da Zwangsarbeit einen Schnittpunkt transnationaler Erinnerungen bildet, befinden sich sowohl in den Familien der Nachkommen ehemaliger Zwangsarbeiter:innen als auch in jenen der lokalen Bevölkerung in Niederösterreich noch zahlreiche Dokumente, Fotos und andere Quellen in Privatbesitz. Diese Materialien geben wertvolle Einblicke in die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Zwangsarbeiter:innen während der NS-Zeit. Zudem werden Erinnerungserzählungen in vielen Familien bis heute weitergegeben.
Oftmals recherchieren Nachkommen inzwischen selbst nach dem Schicksal ihrer Angehörigen. Dabei nutzen sie digitale Recherchetools und (Online-)Archive. Sie verfügen somit häufig über Informationen, die in Österreich bislang nicht zugänglich sind, und können wesentlich zur Rekonstruktion der Geschichte der Zwangsarbeit beitragen.
Ziel des Projekts ist die Entwicklung einer digitalen Citizen-Science-Plattform, die diese Quellen und Erinnerungen bewahrt und zugleich die Forschung sowohl internationaler Nachkommen als auch lokaler Initiativen und Personen in Niederösterreich unterstützt. Darüber hinaus soll die Plattform den Austausch und die Kommunikation zwischen diesen Gruppen, aber auch mit Fachwissenschaftler:innen und institutionellen Fachexpert:innen fördern. Gemeinsam mit Vertreter:innen der Nachkommengruppen werden digitale Werkzeuge zur Wissensweitergabe und Archivierung erprobt. Unterschiedliche Zugänge zu Quellen, Formen der Datenvernetzung, neue Forschungsinstrumente sowie innovative Kommunikationsformate werden getestet. Als Fallbeispiele werden die ungarisch-jüdische Zwangsarbeit in Niederösterreich und das Kriegsgefangenenlager Stalag XVII B Krems-Gneixendorf herangezogen.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Frage, welche Faktoren Citizen Scientists motivieren, zur Plattform beizutragen. Persönliche Begegnungen sollen außerdem den Dialog vertiefen und den Austausch zwischen transnationalen Gruppen mit unterschiedlichen – teils auch widersprüchlichen – Erinnerungsnarrativen fördern. Basierend auf den historischen Quellen rückt die Auseinandersetzung mit Fachwissenschaftler:innen und institutionellen Expert:innen die Frage nach der Faktizität der historischen Ereignisse in den Mittelpunkt.
„Researching – Preserving – Sharing. Establishing a Digital Community of Transnational Memory and Records on Nazi Forced Labour in Lower Austria“:
Laufzeit: 2025-2027
Fördergeber: GFF Niederösterreich (Citizen Science)
Lead Partner: Universität für Weiterbildung Krems, Leitung: Edith Blaschitz, Eva Mayr; Carl Philipp Hoffmann: Digital Implementation, Projektmanagement; Karin Böhm: freie Mitarbeiterin – Kulturvermittlerin und Fotografin
Forschungspartner: Institut für Jüdische Geschichte Österreichs: Merle Bieber, wissenschaftliche Mitarbeit; Wiener Institut für Holocauststudien: Kinga Frojimovics, wissenschaftliche Mitarbeit.
Kooperierende NÖ-Archive: Stadtarchiv Krems, Stadtarchiv St. Pölten
Scientific Advisory Board: Thomas Cauvin (Centre for Digital History at the University of Luxembourg), Stefan Eminger (Niederösterreichisches Landesarchiv), Dirk Luyten ( Study- and Documentation Centre for War and Contemporary Society of the Belgian State Archives), Barbara Stelzl-Marx (Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung), Olga Ungar (The World Holocaust Remembrance Center Yad Vashem).

