Esther von Starhemberg, geborene Windischgrätz, wurde um 1630 als Tochter des niederösterreichischen Adeligen Seyfried Adam von Windischgrätz und dessen zweiter Ehefrau Christina, geborene Schrott von Kindberg, geboren. Ihr Großvater, Wilhelm von Windischgrätz, hatte in der Steiermark wichtige politische Ämter innegehabt, war jedoch im Jahr 1605 aus religiösen Gründen nach Niederösterreich eingewandert. Denn dort herrschte im Gegensatz zur Steiermark, wo der Landesfürst Erzherzog Ferdinand (der spätere Kaiser Ferdinand II.) energisch die Gegenreformation vorangetrieben hatte, noch größere Glaubensfreiheit. Wilhelm von Windischgrätz war auch im Land unter der Enns politisch aktiv, er war einer der Unterzeichner des Horner Bundes (Bündnis der protestantischen Stände der Länder ob und unter der Enns) und er fungierte als Hofkammerpräsident in Wien.
Esthers Vater, Seyfried Adam von Windischgrätz, war ein tiefgläubiger Protestant, der sich Anfang der 1630er-Jahre regelmäßig für einige Zeit in den protestantischen Reichsstädten Nürnberg und Ulm aufhielt, um dort Geld zu veranlagen, ab 1636 war er aber wieder in Niederösterreich ansässig. Nach dessen Tod im Jahr 1638 lebte Esther mit ihrer Mutter Christina von Windischgrätz auf der Herrschaft Langen-Enzersdorf, die diese aus dem Erbe ihres ersten Ehemannes, Hans Adam von Zinzendorf, erhalten hatte.
Die junge Esther von Windischgrätz wurde von ihrer Mutter im protestantischen Glauben erzogen. Ihre Mutter verstieß damit gegen die Gesetze der Religionsreformation, weil die in Niederösterreich geltende beschränkte Religionsfreiheit nur für sie selbst, nicht aber für (Halb-)Waisenkinder galt. Diese mussten im katholischen Glauben unterwiesen werden, weshalb der niederösterreichische Landmarschall Christina von Windischgrätz mehrfach aufforderte, ihre Tochter in eine katholische Erziehung zu geben, was von dieser ignoriert wurde. Trotz der Androhung von Zwangsmaßnahmen hatte die Weigerung offenbar keine weiteren Folgen.
Im Jahr 1651 heiratete Esther von Windischgrätz den aus einem alten Adelsgeschlecht im Land ob der Enns stämmigen Bartholomäus von Starhemberg. Dieser war der Sohn von Gundaker XV. von Starhemberg und dessen Frau Anna Sabina, geborene Dietrichstein. Bartholomäus wurde wie seine beiden jüngeren Geschwister im protestantischen Glauben erzogen, kam aber nach dem Tod seines Vaters als 13-Jähriger unter die Vormundschaft seiner beiden Onkel Heinrich Wilhelm und Kaspar von Starhemberg, die zum katholischen Glauben konvertiert waren. Offenbar auf deren Veranlassung wurden er und sein Bruder Gotthard in eine katholische Erziehung bei den Jesuiten in Ingolstadt gegeben.
Esther und Bartholomäus von Starhemberg lebten in einer gemischtkonfessionellen Ehe, ihr Lebensmittelpunkt war in Freistadt im Land ob der Enns, und vor allem in den späteren Jahren auch Wien. Bartholomäus machte politische Karriere, war Verordneter des Herrenstandes im Land ob der Enns, ständischer Präses, oberster Falkenmeister und schließlich Geheimer Rat. Dennoch verlief die Ehe aufgrund permanenter Geldsorgen wohl nicht besonders glücklich, denn Bartholomäus pflegte einen verschwenderischen Lebensstil. Dazu kam ein konfliktträchtiges Verhältnis mit dem Familienoberhaupt Heinrich Wilhelm von Starhemberg, der sich am protestantischen Glaubensbekenntnis der Ehefrau seines Neffen ebenso stieß wie an dessen Verschwendungssucht. Der Glauben Esthers erregte auch die Aufmerksamkeit der kaiserlichen Religionsreformations-Kommission im Lande ob der Enns, die Bartholomäus unter Androhung von Strafen aufforderte, seiner Frau die zahlreichen Reisen ins Ausland zur Ausübung der protestantischen Glaubenspraxis zu untersagen. Im Jahr 1676 starb Bartholomäus von Starhemberg an einem Schlaganfall. Aus der Ehegingen elf Kinder hervor, von denen aber fünf das erste Lebensjahr nicht überstanden.
Nach dem Tod ihres Ehemannes ging Esther von Starhemberg ins Exil nach Regensburg, wo sich bereits zwei ihrer Halbschwestern aufhielten. Es kam relativ häufig vor, dass Witwen, die zuvor als Ehefrauen von Katholiken ein Aufenthaltsrecht in den Erblanden hatten, nach dem Tod des Ehemannes das Exil einem Übertritt zum katholischen Glauben vorzogen. Esther von Starhemberg verbrachte rund 20 Jahre in Regensburg, zunächst lebte sie dort mit ihren beiden jüngsten Kindern, später mit ihrer Enkelin, die seit dem sechsten Lebensjahr bei ihrer Großmutter aufwuchs. Sowohl ihre eigenen Kinder als auch ihre Enkelin erzog sie gemäß den gegenreformatorischen Bestimmungen im katholischen Glauben, was allerdings von den erbländischen Behörden äußerst misstrauisch beobachtet wurde.
In ihrer Zeit im Exil unterhielt sie einen engen Kontakt mit Verwandten und Bekannten in Österreich, insbesondere mit ihrem ältesten Sohn Gundaker, der auch ihr heimatliches Vermögen verwaltete. Von ihm ließ sie sich mit Lebensmittel und verschiedenen Gebrauchsgütern aus den Erblanden versorgen, die für sie vor allem eine emotionale Bedeutung als Verbindung zu ihrer Heimat hatten. In den Jahren nach 1684, als sie aus dem Erbe ihrer Halbschwester das Gut Enzersdorf, auf dem sie ihre Kindheit verbracht hatte, erwerben konnte, hielt sie sich auch mehrfach für mehrere Monate im Land unter der Enns auf. In Niederösterreich war den protestantischen Adeligen zwar der Aufenthalt erlaubt, sie durften ihren Glauben aber nicht ausüben.
Esther von Starhemberg starb nach längerer Krankheit im Jahr 1697 in Regensburg. Ihr Leichnam wurde nach Oberösterreich überführt, wo sie in der Wallfahrtskirche von Altenberg bei Linz, die in der starhembergischen Herrschaft Riedegg lag, begraben wurde. Im Jahr 1754, mehr als ein halbes Jahrhundert nach ihrem Tod, soll der Sarg ‒ so zumindest eine allerdings erst aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts überlieferte Episode ‒ aus der Gruft gehoben und mit Ruten rituell geschlagen worden sein, um den Makel der Bestattung einer Protestantin in einer katholischen Kirche zu bereinigen.
Verfasser: Josef Löffler
Mag. Dr. Josef Löffler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit (IMAREAL) und Mitglied des first-Forschungsverbundes Migration.
Bildnachweis
Bild 1: Oberösterreichisches Landesarchiv, Archiv Starhemberg, Bestand Riedegg, Schachtel 96. Fotograf: Josef Löffler
Bild 2: Oberösterreichisches Landesarchiv, Archiv Starhemberg, Bestand Riedegg, Schachtel 97. Fotograf: Josef Löffler
Esther von Starhemberg: Protestantisches Exil in Regensburg im 17. Jahrhundert (pdf)