Beschreibung:
Innerhalb wie auch außerhalb der Wissenschaft ist die Diskussion über soziale Ungleichheiten in den letzten Jahren erneut in Bewegung geraten. Ungleichheit zwischen Klassen, Geschlechtern, Ethnien und anderen Gesellschaftskategorien äußert sich in einer Vielzahl an Formen; eine davon ist der ungleiche Zugang zu Nahrung. Die quantitative und qualitative Beschaffenheit der Nahrungsmittel, zu denen Personen und Gruppen alltäglich Zugang haben, sowie unterschiedliche Ernährungspraktiken hängen eng mit deren Position im Gesellschaftsgefüge zusammen. Ernährungspraktiken verweisen jedoch nicht nur darauf, wo Menschen innerhalb des sozialen Raums stehen, sondern auch darauf, wie sie sich selbst und andere verstehen.
Der Forschungsverbund „Nahrung und Ungleichheit“ betrachtet soziale Ungleichheit durch das Prisma der Nahrung. In Teilprojekten an den fünf beteiligten Forschungsinstitutionen wird Unter- und Mangelernährung marginalisierter Gruppen vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart aus verschiedenen und sich gegenseitig ergänzenden Perspektiven untersucht. Gemeinsames Ziel ist die Weiterentwicklung innovativer Forschungsansätze, die es erlauben sozial- und kulturwissenschaftliche Interdisziplinarität mit einer Langzeitperspektive zu vereinen.
Durch Erschließung neuer Quellenbestände zu sozialer und materieller Ernährungsarmut, durch die gemeinsame Arbeit an neuen Methoden und Konzepten sowie durch Bündelung unterschiedlicher Kompetenzen und internationale Vernetzung soll die in Niederösterreich betriebene sozial- und kulturwissenschaftliche Nahrungsforschung als weithin sichtbares Forschungsfeld im europäischen Kontext positioniert werden und eine Basis für weiterführende Forschungsprojekte und Kooperationen gelegt werden.
Gleichzeitig will der Forschungsverbund Impulse für die Vermittlungsarbeit zwischen Wissenschaft und weiterer gesellschaftlicher Öffentlichkeit durch Ausstellungs- und Museumskonzepte liefern, um die öffentliche Diskussion über sozialen Ungleichheiten durch das Beispiel der Ernährung, die jede und jeden von uns betrifft, zu bereichern.
FV-Leitung: Ulrich Schwarz-Gräber
Abgeschlossene Projekte:
- „Koscher in Wien 1848–1918. Produktion und Konsum“
Projektleiter und -bearbeiter: Christoph Lind (INJOEST)
Laufzeit Projekt: 1.2.2019-31.1.2021
Fördergeber: Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank
Siehe: http://www.injoest.ac.at/de/projekte/laufende-projekte/koscher-in-wien - „Wissensgeschichte der Sojabohne in Österreich 1870-1950“
Projektleitung: Ernst Langthaler, Projektbearbeiter: Maximilian Martsch (beide IGLR)
Projektstart: September 2017 – Jänner 2021
Fördergeber: NÖ Forschungs- und Bildungsges.m.b.H. (NFB) und die ÖAW-Kommission für Interdisziplinäre Ökologische Studien (KIÖS).
Siehe: https://www.ruralhistory.at/de/projekte/seit-2016/wissensgeschichte-der-sojabohne-in-oesterreich-1870-1950 - „Entwicklung eines Bildungsangebotes für niederösterreichische Sozialmärkte (‚Soogut‘-Märkte)“
Projektleitung: Johannes Pflegerl, Projektbearbeiterin: Veronika Reidinger (beide IAI)
Projektstart: 1.1.2019
Fördergeber: FFG (Innovationscheck)
Projektphase 1: 2016–2018
(Fördergeber: Land Niederösterreich / FTI-Programm)
Beteiligte first-Institute: Institut für Geschichte des ländlichen Raumes, Institut für jüdische Geschichte Österreichs, Institut für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung (Außenstelle Raabs), Ilse Arlt Institut für Soziale Inklusionsforschung.
Teilprojekte:
• Ingrid Matschinegg, Sarah Pichlkastner (Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit/Universität Salzburg):
Brotkrumen für die Armen? Ungleichheit im Spiegel institutionalisierter Nahrungsversorgung für Arme in Spätmittelalter und früher Neuzeit
• Christoph Lind (Institut für jüdische Geschichte Österreichs):
Koscher im Krieg. Die Lebensmittelversorgung der jüdischen Bevölkerung Niederösterreichs 1914–1918
• Ulrich Schwarz-Gräber (Institut für Geschichte des ländlichen Raumes):
Überleben in der „Krisenzeit“ 1914–1950 – Brennpunkt Ernährung
• Bernhard Bachinger (Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung):
Als Zwangsarbeiter und Flüchtling in einer notleidenden Gesellschaft. Lebensmittelversorgung von zivilen Zwangsarbeitskräften in Österreich 1939–1955
• Peter Pantuček-Eisenbacher, Gabriele Drack-Mayer (Ilse Arlt Institut/FH St. Pölten):
Nahrung – eine sozialarbeitswissenschaftliche Annäherung: Biographien des Essens
Die Ergebnisse der Teilprojekte des first-Forschungsverbundes „Nahrung und Ungleichheit“ (2016-2018) sind in einem peer reviewten ÖZG-Themenband mit dem Titel „Ernährungsgeschichte. Food History“ erschienen (herausgegeben von Ulrich Schwarz-Gräber und Peter Eigner, weitere Info siehe: https://www.studienverlag.at/buecher/5976/oesterreichische-zeitschrift-fuer-geschichtswissenschaften-2-2019/). Eine englische Version des Textes finden Sie hier: OeZG 2019_2 Food History
Publikationen:
- Christoph Lind, „Das Elend selbst ist auf der Wanderung“ – Zedaka und Wanderbettler in Wien bis 1914. In: INJOEST (Hrsg.), „Zedaka“. Jüdische Wohlfahrt und Armenfürsorge bis 1938. St. Pölten 2020, S. 38-47.
- Christoph Lind, „Feinste Chokolade, unter ritueller Aufsicht erzeugt“. Koschere Neuigkeiten aus dem Wien der Kaiserzeit. In: INJOEST (Hrsg.), „Zedaka“. Jüdische Wohlfahrt und Armenfürsorge bis 1938. St. Pölten 2020, S. 64-68.
- Sarah Pichlkastner: Healthy Food in Hospitals? The Diet of Inmates in Early Modern Welfare Institutions in Vienna and Lower Austria, in: Historia Hospitalium 31 (2019), 423-437.
- Sarah Pichlkastner: Ernährung und soziale Ungleichheit in einem ‚besonderen‘ Haus. Die Food Links des Klosterneuburger Bürgerspitals in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit (Hg.): Object Links – Dinge in Beziehung (formate – Forschungen zur Materiellen Kultur 1, Wien 2019), 127–154.
- Sarah Pichlkastner: Spitäler und Ernährungssicherheit (food security) in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Eine exemplarische Untersuchung zu kommunalen Fürsorgeinstitutionen im heutigen Niederösterreich, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 30/2 (2019), 35-66
- Sarah Pichlkastner/Ingrid Matschinegg: Zwischen gesicherter Nahrung und gar zu klain gemachten knedlen. Die Ernährungssituation in Fürsorgeeinrichtungen im (Erz-)Herzogtum Österreich unter der Enns vom 14. bis zum 17. Jahrhundert – eine Projektskizze, in: Medium Aevum Quotidianum 73 (2016), 56-87.
- Veronika Reidinger, (2019). Essen und Soziale Arbeit. Ein Streifzug durch theoretische Ansätze, praktische Beispiele und ideologiekritische Überlegungen. Ernährungsgeschichte / Food History, ÖZG, 30(2), 150–165.
- Ulrich Schwarz-Gräber, „Gläserne Bauern“. Prinzipal-Agent-Probleme nationalsozialistischer Agrarpolitik am Beispiel der Regulierung der landwirtschaftlichen Pacht, in: zeitgeschichte 45/3 (2018), 319–342.
- Peter Eigner/Ulrich Schwarz-Gräber (Hg.), Ernährungsgeschichte / Food History, Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften (OeZG), 30/2 (2019).
- Ulrich Schwarz-Gräber/Peter Eigner, editorial: aus ernährungsgeschichtlicher perspektive, OeZG 30/2 (2019), 5–12.
- Ulrich Schwarz-Gräber, Hartmann, Eduard, in: Österreichisches Biographisches Lexikon – Online-Edition, Lfg. 6 (27.11.2017)