Beschreibung:
Flucht und Migration zählen zu den aktuellen Entwicklungen, die viele Menschen beunruhigen und verunsichern. Historisch betrachtet ist die räumliche Verlagerung des Lebensmittelpunktes aber eine Konstante menschlicher Geschichte. Ortswechsel – ob ein- oder mehrmalig – als Reaktion auf ökonomische und politische Notlagen, als Folge von Verfolgung, physischer Gewalt und/oder Zwang oder aus kulturellen sowie individuellen Gründen fanden und finden in allen geographischen Räumen und Bevölkerungsschichten wiederkehrend statt. Wanderungsbewegungen prägen Gesellschaften, Familien und Individuen: Sie ziehen Pluralisierung nach sich und verbinden Ausgangs-, Transit- und Zielräume auf vielfältige Weise. Sie verändern das Zusammenleben von Menschen in unterschiedlichen Lebensbereichen, aktivieren Selbst- und Fremdzuschreibungen und bringen so veränderte Differenz- und Zugehörigkeitsverhältnisse hervor. Für die MigrantInnen bedeutet Wanderung immer auch, sich das Leben vor Ort erst aneignen und sich in die vorgefundenen gesellschaftlichen Strukturen einfinden zu müssen.
Diese Phänomene sind höchst aktuell und beschäftigen öffentliche wie private Diskurse, deren Argumente einer soliden Fundierung durch historische Erkenntnisse bedürfen. Der Forschungsverbund „Migration“ steht für einen interdisziplinären Ansatz in der Migrationsforschung, der die langfristigen Auswirkungen von Migration im Spannungsfeld von Inklusion und Exklusion erfasst. Durch die Bündelung der einzelnen Forschungsvorhaben sowie das gemeinsame Arbeiten an Konzepten und weiterführenden Forschungsvorhaben soll die innerhalb der Migrationsforschung bestehende thematische Fragmentierung (etwa die separate Betrachtung von Arbeits- und Fluchtmigration) überwunden und eine stärker epochenübergreifende Diskussion (Migrationsraum Niederösterreich von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart) angeregt werden. Die teilnehmenden Institutionen wollen damit die Wissensbasis für eine historisch informierte Analyse der gesellschaftlichen Herausforderungen in der Gegenwart erweitern. Zugleich ist der Wissenstransfer in eine breitere Öffentlichkeit ein wichtiges Anliegen des Forschungsverbundes.
FV-Leitung: Anne Unterwurzacher
Laufende Projekte:
- Projekt: „Lagerunterbringung in der sowjetischen Besatzungszone in Österreich: Nachkriegsgeschichte und Erinnerung“
Projektleitung: Barbara Stelzl-Marx (BIK)
Projektteam: Dieter Bacher (BIK), Katharina Bergmann-Pfleger (BIK), Hannes Leidinger (BIK), Martin Sauerbrey (BIK), Anne Unterwurzacher (IAI)
Projektlaufzeit: 2022 – 2024
Fördergeber: FWF
Weitere Infos: siehe auch FV Lager
- Projekt: „Vielsprachiges Gedächtnis der Migration: Schüler/innen interviewen Großeltern.“
Projektleitung: Georg Traska
Projektteam: Anne Unterwurzacher (IAI), Gabriele Fröschl, Johanna Zechner & Johannes Kapeller (Österreichische Mediathek), Eva Vetter, Edna Imamovic & Valéria Schörghofer-Queiroz (Zentrum für Lehrer:innenbildung und Institut für Sprachwirtschaft, Universität Wien)
Projektlaufzeit: 01.11.2022-31.08.2025
Fördergeber: Sparkling Science (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung) - Projekt: „Landarbeit organisieren. Behördliche Auseinandersetzungen in Österreich 1919-1938“. (Jessica Richter (IGLR))
Projektstart: September 2019 – Februar 2024
Fördergeber: FWF
Weitere Info: „Landarbeit organisieren. Behördliche Auseinandersetzungen in Österreich 1919-1938“
Abgeschlossene Projekte:
- Erzählkreis, Migration und Oral History. Ein Teilprojekt zum internationalen Forschungs- und Publikationsprojekt „Erzählcafé auf dem Prüfstand“ [kommentierte Bibliografie zum Verhältnis zwischen Oral History und partizipativen Formen der Biografiearbeit, Forschungsbehelf] Projektteam: Andrea Strutz, Lukas Schretter (Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung Graz – Wien – Raabs)
- Migrations- und Mobilitätsgeschichte im ‚langen‘ 19. Jahrhundert. Wegweiser zu Archivmaterial im Niederösterreichischen Landesarchiv
Projektleitung: Oliver Kühschelm
Projektmitarbeiter:innen: Leonhard Engelmaier, Walpurga Friedl
Projektlaufzeit: 2020-2021 - Dissertationsprojekt „Inklusions- und Exklusionsprozesse im Kontext aktueller Migrationsbewegungen. Einbindungspraxen aus Sicht von ZuwanderInnen und AkteurInnen der Aufnahmegesellschaft“. (Katharina Auer-Voigtländer (IAI/FH St. Pölten))
Projektstart: 1.1.2019 – 30.06.2022
Förderergeber: NÖ Forschungs- und Bildungsges.m.b.H. (NFB) (50%-Förderung)
Weitere Info: Inklusions- und Exklusionspraxen im Kontext von Fluchtmigration. Subjetpositionierungen im Ankommensprozess.
Projektphase 1: 2016–2018
(Fördergeber: Land Niederösterreich / FTI-Programm)
Beteiligte first-Institute: Institut für Geschichte des ländlichen Raumes, Institut für jüdische Geschichte Österreichs, Institut für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung (Außenstelle Raabs), Zentrum für Migrationsforschung, Ilse Arlt Institut für Soziale Inklusionsforschung.
Teilprojekte:
• Elisabeth Gruber, Josef Löffler (Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit/Universität Salzburg):
Materielle Objekte adeliger Erinnerung in Zeiten von Konfessionalität und Migration 1500–1800
• Svjatoslav Pacholkiv (Institut für jüdische Geschichte Österreichs):
Flucht nach Niederösterreich: Galizische Juden 1914–1920
• Jessica Richter (Institut für Geschichte des ländlichen Raumes):
Überleben in der ‚Krisenzeit‘ 1914 – 1950 – Brennpunkt Migration
• Dieter Bacher: Niederösterreich (Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung):
Zwangsmigrations- und Integrations-/Inklusionsraum in der Nachkriegszeit 1945–1956
• Anne Unterwurzacher, Ekrem Arslan (Zentrum für Migrationsforschung):
Weiterwandern oder Bleiben? Migrantische Lebensstrategien und Aneignungspraktiken am Beispiel der angeworbenen Belegschaft der St. Pöltner Glanzstoff-Fabrik 1964 – heute
• Johannes Pflegerl, Katharina Auer-Voigtländer, Gabriele Drack-Mayer (Ilse Arlt Institut/ FH St. Pölten):
Inklusions- und Exklusionspraxen, bezugnehmend auf anerkannte Flüchtlinge in ländlichen Gemeinden Niederösterreichs
Die Ergebnisse der Teilprojekte des first-Forschungsverbundes Migration (2016-2018) sind in einem peer reviewten ÖZG-Themenband mit dem Titel „Migrationswege“ erschienen (herausgegeben von Jessica Richter und Anne Unterwurzacher, weitere Info siehe: https://journals.univie.ac.at/index.php/oezg/issue/view/326). Eine englische Version des Textes finden Sie hier: OeZG 2020_1 Migration_Paths
Publikationen:
- Katharina Auer-Voigtländer (2021): Biographie und Subjektpositionierung. Subjekte als handelnde Akteur*innen im Kontext migrationsgesellschaftlicher Perspektiven, in: Heiko Berner, Doris Böhler, Tina Füchsbauer, Manuela Hofer, Anne Kühne, Irene Messinger, Anna Riegler und Martina Tißberger (Hrsg.): Soziale Arbeit in der Postmigrationsgesellschaft. Kritische Perspektiven und Praxisbeispiele aus Österreich, Beltz Juventa, Weinheim – Basel, S. 319 – 331.
- Katharina Auer-Voigtländer (2020): Migrationsprozesse und Verortungen geflüchteter Menschen in Österreich. In: OeZG – Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften, Bd. 2020/1: Migrationswege, herausgegeben von Jessica Richter / Anne Unterwurzacher, Studien Verlag, Innsbruck-Wien, S. 186 – 207.
- Dieter Bacher: Verschleppt in eine neue Heimat. Die Integration ehemaliger ziviler Zwangsarbeiter in Osterreich nach 1945, in: Stefan Karner (Hg.): Migration. Flucht – Vertreibung – Integration. Graz – Wien 2019, 77-89.
- Dieter Bacher: Zwischen Bleiben, Rückkehr und Weiterwandern? Fremdsprachige Displaced Persons in Niederösterreich 1945–1955, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (ÖZG), Nr. 1/2020.
- Dieter Bacher, Collecting the shreds. Former Austrian POWs in the Soviet Union as a source of information for British secret services in early Cold War Austria. In: Frank Jakob – Stefan Karner (Hg.), War and Veterans. Treatment and Reintegration of Soldiers in Post-War Societies. Paderborn 2020, S. 185–201.
- Dieter Bacher (2021): Zwischen Arbeitskraft und „displaced person“. Polnische zivile Zwangsarbeiter in Österreich 1939-1945 und ihr Nachkriegsschicksal, in: Wanda Jarząbek – Peter Ruggenthaler (Hg.), Österreich – Polen. Stationen gemeinsamer Geschichte im 20. Jahrhundert. Graz – Wien, S. 123–146.
- Dieter Bacher (2021): Refugees as Informants – “WRINGER” and Hungarian Refugees in Austria, in: Magdolna Barath – Dieter Bacher (eds.), A frontline of espionage. Studies on Hungarian Cold War intelligence in Austria. Budapest, pp. 57–69.
- Gertrude Eigelsreiter-Jahshari und Rita Garstenauer, Antisemitismus und Extremismus vorbeugen.Gelingensbedingungen für biografisches Erzählen und Geschichtsvermittlung in der Offenen Jugendarbeit. In: Gert Dressel/Johanna Kohn/Jessica Schnelle (Hrsg.): Erzählcafés. Einblicke in Praxis und Theorie. Weinheim, Basel: Beltz Juventa 2022, S. 206-217.
- Oliver Kühschelm, Geflohen und geblieben. Jüdische Österreicher*innen in Uruguay, Wien 2023, doi.org/10.7767/9783205215325
- Jessica Richter: Notbehelfe in Krisenzeiten. Lebensunterhalt und landwirtschaftlicher Dienst in Österreich (1918–1938), in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 68 (2020) 1, 79-98.
- Jessica Richter: Geordnete Wanderungen, gesteuerte Arbeitssuche? Arbeitsmarktorganisation, Saisonarbeit und die ‚Rücküberführung‘
Arbeitsloser in die Landwirtschaft (Österreich, 1918-1938). In: OeZG 31 (2020) 1, 113-137. - Jessica Richter, Tim Rütten: „[S]ie war männersüchtig, vergnügungssüchtig, unrein, faul ‚bis zum Exceß‘ […].“ Wandel und Kontinuität im häuslichen Dienst, in: Oliver Kühschelm/Elisabeth Loinig/Stefan Eminger/Willibald Rosner (Hg.): Niederösterreich im 19. Jahrhundert, Bd. 2: Gesellschaft und Gemeinschaft. Eine Regionalgeschichte der Moderne, S. 283-316.
- Jessica Richter: Rezension: Simona Isler: Politiken der Arbeit. Perspektiven der Frauenbewegung um 1900 und Céline Angehrn: Arbeit am Beruf Feminismus und Berufsberatung im 20. Jahrhundert, in: traverse (2021) 1.
- Jessica Richter: Freizeit, Freude und Fleiß. Genussmomente ländlicher Arbeiterinnen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in: Theresa Adamski, Doreen Blake, Veronika Duma, Veronika Helfert, Michaela Neuwirth, Tim Rütten, Waltraud Schütz (Hg.): Geschlechtergeschichten vom Genuss. Zum 60. Geburtstag von Gabriella Hauch, Wien/Berlin 2019, 324–335
- Jessica Richter (2021): „Ich begegnete einem Mann, der mir mein Leben verhaute.“ Arbeit, Armut und uneheliche Geburten bei Dienstbotinnen im „langen“ 19. Jahrhundert. In: Bezirksmuseum Josefstadt/Jungmayr, Anna: „… Vor Schand und Noth gerettet“?! Findelhaus, Gebäranstalt und die Matriken der Alser Vorstadt, S. 107–117.
- Jessica Richter/Tim Rütten (Hg.), Arbeit und Geschlecht. Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 3/2022 (im Druck).
- Jessica Richter, Die Produktion besonderer Arbeitskräfte. Auseinandersetzungen um den häuslichen Dienst in Österreich (1880-1938), Berlin/Boston 2024. [peer review]
- Jessica Richter/Tim Rütten (Hg.), Arbeit und Geschlecht. Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 33 (2022) 3 (erschienen 2023). [peer review]
- Jessica Richter, New Rights and Hierarchies: Regulating Seasonal Farm Labour (Austria, 1918–1938), in: Beate Althammer (Hg.), Citizenship, Migration and Social Rights. Historical Experiences from the 1870s to the 1970s (= Routledge Studies in Modern History), London/New York 2023, 119-140. [peer review on proposal stage]
- Jessica Richter, Eigenartige Arbeitskräfte. Die Auseinandersetzungen um den häuslichen Dienst (Österreich 1918-1938), in: Sigrid Wadauer (Hg.), Die Erzeugung von Arbeit. Variationen, Unterschiede und Hierarchien von Erwerb und Unterhalt, Berlin/Boston 2023, 63-122.
- Anne Unterwurzacher: Zusammenhänge von Wirtschaft und Migration am Beispiel der Anwerbung von Arbeitsmigranten in der St. Pöltner Glanzstoff-Fabrik 1964-1975, in: Stefan Karner – Barbara Stelzl-Marx (Hg.): Migration. Flucht – Vertreibung – Integration. Graz – Wien 2019, S. 147-163.