Anton Banasch wurde1930 in Rava Ruska in der damaligen Sowjetunion geboren und kam 1942, im Alter von nur 12 Jahren als ziviler Zwangsarbeiter aus der Ukraine nach Österreich, das damals ein Teil NS-Deutschlands war Er war einer von 1,06 Millionen ausländischen Zwangsarbeitskräften, die das NS-Regime während des Zweiten Weltkrieges in der „Ostmark“ d. h. auf dem Gebiet des heutigen Österreich zu schwerer Arbeit einsetzte: 300.000 Kriegsgefangene, 200.000 KZ-Häftlinge und rund 560.000 hierher verschleppte ZivilistInnen, sogenannte „Fremdarbeiter“.
Diese zivilen ZwangsarbeiterInnen stammten meist aus den von der Deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten Osteuropas, weitere große Gruppen kamen aus Italien oder Frankreich.Viele Zwangsarbeitskräfte stammten wie Banasch aus der heutigen Ukraine. Gerade gegen den Einsatz von „Fremdarbeitern“ (wie das NS-Regime die zivilen ZwangsarbeiterInnen bezeichnete) aus der östlichen Ukraine gab es anfangs große ideologische Bedenken – wurden diese „slawischen Völker“ in der NS-Rassenhierarchie doch sehr niedrig eingestuft, sodass man den direkten Kontakt mit der „deutschen“ Bevölkerung eher vermeiden wollte. Aber die wirtschaftliche Situation ab 1941 machte den Einsatz der „Ostarbeiter“ unverzichtbar.
Ohne sie wäre die für den Krieg notwendige Produktion und die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln nicht möglich gewesen. Zivile ZwangsarbeiterInnen aus der heutigen Ukraine wurden primär in der Landwirtschaft, aber grundsätzlich in allen Bereichen der Kriegswirtschaft eingesetzt. Zwangsarbeit war dabei nicht auf NS-Deutschland beschränkt. Auch in den von der Deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten wurden ZivilistInnen für Arbeiten rekrutiert bzw. zu diesen herangezogen. Dies war auch bei Anton Banasch der Fall, der etwa Ende 1941 als Küchengehilfe in einer Feldküche einer in der Nähe stationierten Einheit der Deutschen Wehrmacht arbeitete. Auf diese Weise konnte er seine sehr arme Familie zumindest mit einem kleinen Zusatzeinkommen und ein paar Lebensmitteln versorgen. 1942 machte ihn einer der Soldaten der Einheit auf die Möglichkeit der Arbeit in Deutschland aufmerksam und bot ihm an, seine Reise ins „Dritte Reich“ zu organisieren. Banasch nahm das Angebot an: „Weil es mir schlecht gegangen ist, ich hatte ja nichts, jetzt bin ich freiwillig mit dem Transport mit.“ Die Zugfahrt führte ihn über Krakow und Deutschland nach Salzburg und weiter in die Steiermark. Von Graz kam er über Weiz auf einen Bauernhof nahe Passail.
Da Banasch bei seiner Ankunft als „Pole“ eingestuft worden war (in seiner Familie wurde vor allem polnisch gesprochen), durfte er gemäß den Verordnungen der „Polenerlasse“ vom 8. März 1940 nicht gemeinsam mit der einheimischen Familie untergebracht werden. Er musste daher, unabhängig von der Jahreszeit, auf dem Heuboden des Kuhstalls übernachten. Besonders im Winter machten ihm dabei die Kälte und auch das durch das Dach dringende Wasser zu schaffen. Umstände, die zu chronischen Beschwerden wie Gicht und Asthma führten. Dazu kam die schwere Arbeit auf dem Gut des Bauern: das Vieh versorgen, Heu mähen, Erntearbeit auf den Feldern und im Winter Holzarbeiten im dazugehörigen Wald. Um nach Kriegsende 1945 nicht zwangsrepatriiert zu werden, musste Anton Banasch sich auf dem Hofe seines Arbeitgebers verstecken, da die sowjetische Besatzungsmacht auch in Passail aktiv nach sowjetischen Displaced Persons („Versetzte Personen“) suchte. Die Einheiten des sowjetischen Geheimdienstes NKVD bedienten sich hier einer in Passail eingesetzten Zwangsarbeiterin, um zu erfahren, auf welchen Höfen sich noch Zwangsarbeiter aus Osteuropa befanden. So berichtete Banasch im Interview: „Nein, erkannt haben sie mich nicht, aber […] im 45er Jahr, die hat mich dann verraten bei den Russen und die hat das alles erzählt. Dann haben sie mich geholt“. Es folgten Befragungen in russischer Sprache, aber als er diese nicht verstand, entließ man ihn wieder, und er kehrte auf den Hof zurück.
Anton Banasch entzog sich dem weiteren Zugriff der sowjetischen Repatriierungsorgane in der nunmehr britischen Besatzungszone, er blieb bis 1955 auf dem Hof in Passail beschäftigt. Nach dem Ende der Besatzungszeit 1955 arbeitete er bei einer Baufirma in Bruck an der Mur und später auf der Bürgeralm bei Aflenz, wo er auch seine spätere Ehefrau kennenlernte. Er blieb in der Steiermark, arbeitete in der Drahtzugproduktion bei der Johann Pengg AG in Thörl und später in einem Schotterwerk in St. Ilgen. Dass er sich 1945 für einen Verbleib in Österreich entschied, hatte mehrere Gründe. Der erste war, dass Banasch bereits vor seiner Verbringung ins „Dritte Reich“ 1940 Opfer einer Zwangsumsiedlung von sowjetischer Seite geworden war. Da seine Familie polnischer Abstammung war, wurde sie nach Abschluss des deutsch-sowjetischen Freundschaftsvertrages vom 28. September 1939 mit weiteren rund 95.000 Polen und Ukrainern ins Landesinnere der Sowjetunion zwangsumgesiedelt. Diese bereits vor seiner Reise in die „Ostmark“ erfolgte „Entwurzelung“ ließ Banasch nach eigenen Angaben eine Heimkehr in die UdSSR mehr als fraglich erscheinen – musste er doch davon ausgehen, dass er nicht in sein ursprüngliches Heimatdorf Rava Ruska und auf den Besitz seiner Familie würde zurückkehren können. Zweitens schreckten ihn das rigide Vorgehen der sowjetischen Repatriierungsorgane und kursierende Gerüchte um die Verbringung der „Repatrianten“ in den GULAG – sowjetische Straflager – von einer Heimreise ab. Und drittens sah er für sich in Österreich bessere Zukunftsperspektiven. Sein Herkunftsland, die Ukraine, und Rava Ruska sah er nie wieder, er verstarb 2013 in Österreich.
Verfasser: Dieter Bacher
Mag. Dieter Bacher ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung und Mitglied des first-Forschungsverbundes Migration.
Quellenangaben Bilder:
Bild 1: Dieter Bacher
Bild 2, 3: Archiv des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung (AdBIK), Fotoarchiv Zwangsarbeit
Bild 4: Österreichisches Staatsarchiv / Archiv der Republik, ÖVF, Bestand „Österreich – Ad acta“
Anton Banasch – Aus der Ukraine in die Steiermark und nie mehr zurück (pdf)