„… wenn du fragst du mich, ich bin glücklich da oder nix, na sicher ich bin (2) ich bin nicht glücklich, das ist nicht meine Leben (1) das ist nicht meine Welt.“ [1]
Allawi ist 25 Jahre alt. Er war rund zwei Jahre in Österreich, dies jedoch nicht freiwillig. Allawi wollte am liebsten wieder nach Hause in seine Heimat, in den Irak. In einem Interview im April 2017 erzählte er mir, dass er unfreiwillig den Irak verlassen musste.
In seiner Heimatstadt habe sich eine verheiratete Frau in ihn verliebt. Der Ehemann kam hinter die geheime Liebe seiner Frau. Obwohl Allawi kein Interesse an der Frau zeigte und er mit dieser nur befreundet war, sah sich Allawi gezwungen, der Ehre wegen das Land zu verlassen. Er erklärte, dass die die Ehre in seiner Kultur das höchste Gut sei und die Verletzung dieser ein größeres Problem darstelle als beispielweise Probleme mit der Polizei. Probleme mit der Ehre – „das ist … sehr schwierig in irakisch und in muslimisch“.
Allawi sieht sich außerstande wieder zurück in den Irak zurückzukehren, obwohl dies sein größter Wunsch ist. Er will wieder zu seiner Familie und zu seinen Freunden. Er vermisst sein Heimatland Irak. Eine Rückkehr in den Irak ist für ihn jedoch ausgeschlossen. Er wusste genau, dass er nur eine ganz kleine Chance hatte, in Österreich zu bleiben, aber er gab nicht auf. Allawi bemühte sich Deutsch zu lernen, mit Menschen in Kontakt zu kommen und sich so gut wie möglich zu integrieren. Nach rund zwei Jahren in Österreich sprach Allawi bereits sehr gut Deutsch. Auch sein soziales Umfeld habe er erweitern können und einige Freunde gefunden, erzählte Allawi. Er wohnte in einem gemieteten Zimmer bei einer österreichischen Familie und engagierte sich ehrenamtlich in seiner Wohnsitzgemeinde. Dass er sich über zwei Jahre im Asylverfahren befand und nicht arbeiten durfte, setzte ihm sehr zu. Er wollte arbeiten gehen, sich seinen eigenen Unterhalt verdienen und nicht mehr von Behörden und Ämtern abhängig sein.
Allawi hatte sich bereits eine Arbeitsstelle als Hilfsarbeiter organisiert, er wartete nur noch auf einen positiven Asylbescheid, dieser ist aber nie gekommen. Nach zwei Jahren des Wartens bekam er seinen zweiten negativen Asylbescheid und stand kurz vor der Abschiebung in den Irak. Sein Fluchtgrund wird von der Genfer Konvention nicht anerkannt. Mit Hilfe eines Anwalts stellte er daraufhin einen Antrag auf subsidiären Schutz, den Menschen ansuchen können, wenn ihr Leben oder ihre Gesundheit in der Heimat bedroht ist. In unseren Gesprächen ging Allawi nicht näher darauf ein, was ihm im Irak passieren würde, aber die Angst davor war ihm deutlich anzusehen.
Nach einigen Wochen des Wartens erhielt er auch den subsidiären Schutz betreffend einen negativen Bescheid. Damit war klar, dass er Österreich verlassen musste. Allawi hatte so große Angst davor, in sein Heimatland abgeschoben zu werden, dass er sich von seinen Freunden und Bekannten verabschiedete, die er im Laufe der vergangenen zwei Jahre in Österreich gefunden hatte, einen Rucksack packte und Österreich verließ. Über Social Media-Kanäle ließ er mich wissen, dass er nun alleine durch Europa reise und sein Glück in einem anderen Land versuche. Er müsse alles dafür tun, um nicht in den Irak zurückgeschickt zu werden.
Die Geschichte von Allawi verdeutlicht, dass Fluchtgründe individuell sehr unterschiedlich sein können. Laut Genfer Flüchtlingskonvention werden jene Personen als Flüchtlinge anerkannt, die sich aus wohl begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung außerhalb ihres Herkunftsstaates befinden und den Schutz des Herkunftsstaates nicht in Anspruch nehmen können oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen wollen (vgl. Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Artikel 1, Abs. A.2.). Die Frage, die sich stellt ist, ob Menschen die aus Angst vor allgemeiner Gewalt fliehen, keine Flüchtlinge sind bzw. keinen Anspruch auf Schutz im humanitären Sinn haben.
Verfasserin: Katharina Auer-Voigtländer
[1] Die Zitate stammen aus einem Interview mit Allawi (sein Name wurde auf seinen Wunsch hin in „Allawi“ geändert), welches Katharina Auer-Voigtländer im April 2017 mit ihm geführt hat.
Allawi: Ein irakischer Flüchtling, der nicht flüchten wollte (pdf)