Paul Khevenhüller wurde im Jahr 1593 als Sohn des Siegmund III. Khevenhüller und der Regina von Thannhausen in eine bedeutende Adelsfamilie geboren: Das Geschlecht der Khevenhüller war ursprünglich in Kärnten, ab dem 16. Jahrhundert auch in Ober- und Niederösterreich reich begütert und dessen Mitglieder bekleideten über die Jahrhunderte zahlreiche hohe politische Ämter in der Habsburgermonarchie. Paul Khevenhüller heiratete im Jahr 1619 Regina von Windischgrätz (1597‒1670), mit der er dann insgesamt sieben Söhne und sechs Töchter hatte. Die Familie lebte bis 1628 vorwiegend in Kärnten.
Die Emigration der Familie spielte sich vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges ab: Die protestantischen Stände Böhmens hatten Ferdinand II. als böhmischen König abgesetzt, manche Adelsfamilien in den österreichischen Erblanden hatten sich ihnen angeschlossen. Nach dem Sieg der Katholischen Liga gegen das Heer der protestantischen Stände in der Schlacht am Weißen Berg im Jahr 1620 war in den habsburgischen Ländern der Weg frei für die Rekatholisierung. Zunächst waren vor allem bäuerliche und bürgerliche Schichten von der Gegenreformation betroffen. Ab 1627/28 wurde in fast allen habsburgischen Ländern auch der protestantische landständische Adel zur Konversion zum Katholizismus genötigt – oder aber zur Auswanderung gezwungen, wobei in diesem Fall der Besitz innerhalb einer bestimmten Frist zu veräußern war. Es war auch untersagt, unmündige Kinder in die protestantischen Zufluchtsorte mitzunehmen, was aber häufig hintergangen wurde.
Die Zielorte der Emigranten waren in erster Linie süddeutsche Reichstädte, insbesondere Nürnberg und Regensburg. Beide Städte waren wirtschaftlich eng mit den habsburgischen Ländern verbunden und beide waren schon seit Mitte des 16. Jahrhunderts wichtige Verbindungspunkte des österreichischen Protestantismus im Reich. Das wichtigste Kriterium war aber die gute Erreichbarkeit über den Donauweg aus dem Südosten. In fast allen wichtigen Adelsgeschlechtern aus den habsburgischen Erblanden gab es Familienmitglieder, die emigrierten, meist entschloss sich aber ein Familienzweig zur Konversion und zum Verbleib in der Heimat, um die Familiengüter zu sichern, so auch bei den Khevenhüller. Paul Khevenhüller ging mit seiner Familie ebenso wie sein Halbbruder Hans im Jahr 1629 ins Exil nach Nürnberg. Insgesamt wanderten 21 Mitglieder der Familie Khevenhüller aus. Von den nicht emigrierten Familienmitgliedern ist besonders Franz Christoph II. (1588‒1650) hervorzuheben, der neben einer glanzvollen Karriere als Diplomat und Politiker in Diensten der Habsburger auch als einer der bedeutendsten Chronisten des Dreißigjährigen Krieges hervorgetreten ist.
Viele Ausgewanderte engagierten sich politisch auf Seiten der protestantischen Kriegspartei, weil man sich durch einen günstigen Kriegsverlauf eine Rückkehrmöglichkeit in die Heimat erhoffte. Nach dem Kriegseintritt des Schwedenkönigs Gustav Adolf im Sommer des Jahres 1630 stellten sich die beiden Khevenhüllerbrüder wie auch viele österreichische Standesgenossen in dessen Dienst. Hans und Paul Khevenhüller exponierten sich besonders durch große Darlehen für die schwedische Kriegskassa und durch die Werbung eines Reiterregiments auf eigene Kosten, das von Paul Khevenhüller als Obrist kommandiert wurde.
Nach dem Eintritt in die schwedische Armee wurde der bis dahin noch nicht veräußerte Besitz von Hans und Paul Khevenhüller in den habsburgischen Erblanden konfisziert. Dies stellte sich in der Praxis allerdings als schwierig heraus, weil die beiden alle Aufzeichnungen über ihre Eigentumsverhältnisse nach Nürnberg ausgeführt hatten. Gleichzeitig wurden auch ihre Geldforderungen an Dritte vom Staat eingezogen. Die kaiserlichen Behörden bemühten sich auch, mehrere Kredite, die Hans und Paul Khevenhüller an die Stadt Nürnberg vergeben hatten, wegen Hochverrats einzuziehen, was den Rat der Stadt in Bedrängnis brachte: Denn einerseits wollte er den protestantischen Glaubensbrüdern nicht in den Rücken fallen, andrerseits wollte die Reichsstadt aus politischen Überlegungen nicht offenen Widerstand gegen den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches leisten.
Nach dem Tod des Schwedenkönigs Gustav Adolf in der Schlacht bei Lützen im November 1632 quittierte Paul Khevenhüller den Militärdienst und übersiedelte mit seiner Frau Regina und den Kindern nach Schweden, wohin er auch den Großteil seines mobilen Besitzes in Sicherheit brachte. Bereits einige Monate zuvor war sein Bruder Hans infolge einer Kriegsverletzung verstorben.
Paul Khevenhüller stand am Hof der schwedischen Königinwitwe Maria Eleonora und später der Königin Christine in großer Gunst. Er bekam zahlreiche Rangauszeichnungen, wurde in die schwedische Landsmannschaft aufgenommen und erhielt für seine Kriegsausgaben das Gut Julita, das bis ins 19. Jahrhundert im Besitz seiner Nachkommen war. Die schwedische Protektion führte dazu, dass die Restitution der Khevenhüller sogar ein Thema bei den Westfälischen Friedensverhandlungen von 1648 war. Trotz der expliziten Zusicherung im Westfälischen Frieden wurde die Rückgabe für die Familie nicht zufriedenstellend geregelt. Die Nachkommen der emigrierten Khevenhüller bemühten sich noch über mehrere Jahrzehnte erfolglos, um eine Rückgabe ihrer Besitztümer. Paul Khevenhüller starb im Jahr 1655 in Stockholm, seine Frau folgte ihm im Jahr 1670.
Von den emigrierten Familienmitgliedern aus dem Hause Khevenhüller, kehrte nur Siegmund Khevenhüller, ein Cousin des Paul, nach Österreich zurück. Dessen noch heute existierender Familienzweig konnte sich wieder relativ schnell in Österreich etablieren, sein Enkel Siegmund Friedrich (1666‒1742) war mehrere Jahrzehnte Statthalter in Niederösterreich, sein Urenkel Johann Josef (1706‒1776), eine der bedeutendsten Figuren am Hof Maria Theresias, wurde im Jahr 1764 mit der Verleihung des Fürstenstandes in den höchsten Adelsrang erhoben.
Verfasser: Josef Löffler
Mag. Dr. Josef Löffler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit (IMAREAL) und Mitglied des first-Forschungsverbundes Migration.
Bildnachweis
Bild 1, 2: Khevenhüllerchronik, ca. 1625, Österreichisches Museum für angewandte Kunst. Fotograf: Peter Böttcher/IMAREAL
Bild 3: Khevenhüllerhistorie Bd. 3, ca. 1619–1628, Stiftsbibliothek St. Florian. Fotograf: Josef Löffler
Bild 4: Khevenhüllerhistorie Bd. 1, 1623, Oberösterreichisches Landesarchiv. Fotograf: Josef Löffler